AllgemeinMotivario Informationsoffensive, Thema 4

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Motivario Informationsoffensive, Thema 4

(Berufliche) Neuorientierung

Arbeit ist eine elementare Aktivität menschlichen Daseins und dient nicht nur der Sicherung der eigenen Existenz, sondern verleiht dem Leben auch einen tieferen Sinn und Wert. Sie besteht aber leider nicht nur durch positive Aspekte, sondern ist auch durch Belastung und Mühsal geprägt. Besonders in der heutigen Arbeitswelt sind Hektik und Zeitdruck ständige Begleiter. Die Unsicherheit, ob man einen Job bis zum Ende seiner Berufslaufbahn (wie es in der Vergangenheit oft der Fall war) tatsächlich ausüben kann, prägt das Menschenbild der Moderne. Gründe für Jobwechsel können sehr vielfältig und individuell sehr unterschiedlich ausfallen, z.B.: Notwendigkeit eines Berufswechsels aufgrund körperlicher Einschränkungen, berufliche Unzufriedenheit bzw. Überdruss, Bedrohung eigener Werte durch veränderte Organisationsziele, Bedürfnis zur persönlichen Weiterentwicklung bzw. Selbstaktualisierung, Hoffnung auf finanzielle Zuwächse / Prestige, Wunsch nach mehr Reputationszuwachs, etc.  (Nerdinger, Blickle, & Schaper, 2019). Die Liste könnte vermutlich noch sehr lange fortgeführt werden. Alle Situationen haben jedoch eines gemeinsam – es geht um Veränderung bzw. Neuorientierung. Darauf reagieren Menschen sehr unterschiedlich, oftmals auch mit hohem Leidensdruck und Unbehagen. Es kommt zu innerpsychischen Konflikten, einem emotionalen Wirr-Warr bis hin zur Sinnkrise bzw. oft sogar bis zur völligen Erschöpfung, dem Burnout. In diesen Phasen der (beruflichen) Veränderung bzw. Neuorientierung stellt Mentalcoaching eine geeignete Dienstleistung dar, weil das Individuum durch die fachkundige Begleitung dabei unterstützt wird, sich als selbstwirksam zu erleben und lernt, sich durch innere und äußere Widerstände nicht bestimmen zu lassen.

Forschungsstand: Die Entscheidung in einem bestimmten beruflichen Etablissement tätig zu sein bzw. zu werden, passiert nicht willkürlich, sondern ist ein Entwicklungs- bzw. Formungsprozess, der bereits in der Kindheit beginnt und im Laufe der Lebensspanne von stetiger Veränderung geprägt ist (Nerdinger et al., 2019). Um bestimmte Jobs ausüben zu können, braucht es zunächst den Nachweis entsprechender Schul- bzw. Studienabschlüsse. Die Motivation, eine bestimmte Berufslaufbahn einzuschlagen, wird in hohem Maß durch das familiäre Umfeld des Kindes geprägt, in dem es aufwächst (Art & Weise des Umgangs mit dem Kind, Förderung von Interessen und Werten, materielle Ressourcen, soziale Kontakte, etc.). Kohn & Schooler(1983) postulierten in ihrer Studie beispielsweise, dass Väter, die sich in beruflichen Positionen befinden, in denen eigenständiges Entscheiden gefordert wird, auch bei ihren Kindern eher das selbstbestimmte Handeln fördern. Beruflich autoritär geführte Familienväter hingegen, die in der Arbeit sehr wenig Handlungsspielraum haben und stark kontrolliert werden, fordern dagegen eher Anpassung und Gehorsam von ihren Kindern. Die berufliche Entwicklung verläuft in verschiedenen Stufen, die von bestimmten, normativen Entwicklungsaufgaben geprägt wird (Sich selbst anziehen können, Vorstellungsgespräche bzw. Konfliktsituationen alleine zu absolvieren bzw. zu lösen, Kontaktaufbau zu Gleichaltrigen, etc.) und uns über die gesamte Lebensspanne begleitet. Die erfolgreiche Bewältigung führt beim Individuum zu Zufriedenheit und Anerkennung durch das Umfeld, das Versagen führt zu Zurückweisung und Ablehnung in der Gesellschaft und zu Problemen bzw. Verwirrung bei späteren Entwicklungsaufgaben (z.B.: Bedürftigkeit nach Harmonie und Scheu vor Konflikten, Angst vor Zurückweisung, etc.) (Savickas, 2002). Der Wunsch nach (beruflicher) Neuorientierung kann als Konsequenz veränderter Lebensumstände, höherer Wert- oder Sinnorientierungen bzw. als Mittel der Selbstverwirklichung gedeutet werden (Maslow, 2021).

Vorgehensweise in der Beratung: Orientierungsthemen kommen in der Beratung häufig vor, gerade jetzt, wo wir in Zeiten des Umbruchs leben und sich viele gesellschaftliche Themen neu sortieren. Das Selbstkonzept eines Menschen wird dabei so auf die Probe gestellt, dass plötzlich existenzielle Fragen im Raum stehen: Wie geht es weiter? Will ich so weitermachen? Wer unterstützt mich? Wenn solche Fragen auf lange Sicht nicht beantwortet werden, entsteht Leidensdruck. Wenn Menschen sich eine Neuorientierung im Beruf wünschen und mit diesem Anliegen in die Beratung kommen, hadern sie meist schon lange Zeit damit, den bestehenden Arbeitsplatz zu verlassen und nach einem Job zu suchen, der ihnen mehr entspricht und der sie in ihrem Leben wieder Sinn und Wert verspüren lässt. Sie haben Sorge, mit dieser Entscheidung das Falsche zu tun, hegen Gedanken, dass man es anderswo möglicherweise ja noch schlechter erwischen könnte oder sie haben Hoffnung, dass die momentane Arbeitssituation sich doch noch zum Besseren wenden könnte. Es stellt sich folglich im Beratungsprozess also die Frage, welche Faktoren die eigene Selbstverwirklichung hemmen und durch welche Gedanken das Setzen der nächsten Schritte blockiert wird. Da diese Gründe bei jedem Individuum sehr unterschiedlich sein können, braucht es zunächst emotionales Fingerspitzengefühl. Durch entsprechende Fragetechniken werden Menschen dazu angeregt über sich selbst und ihre Einstellungen nachzudenken, die sie in ihrem Alltag steuern. Parallel zu diesem reflexiven Anteil im Beratungsprozess, wählt der Mentaltrainer für den Menschen geeignete, (mentale) Techniken aus, um den reflexiven Anteil gut zu durchschreiten und ihm anschließend Mut und Kraft für die Umsetzung der neuen Ideen bzw. Ziele zu geben. Im Beratungskontext spricht man bei sämtlichen Orientierungsthemen auch von der Arbeit am persönlichen „Mission Statement“.

Chancen & Grenzen: Durch mentales Training bei (beruflichen) Orientierungsthemen gewinnt der Mensch die Chance, über sich selbst und festgefahrene Denk- und Verhaltensmuster nachzudenken. Die eigenen Werte werden in der gemeinsamen Arbeit akribisch untersucht und mit der eigenen (beruflichen) Mission in Verbindung gebracht. Dadurch steigen nicht nur das eigene Sinnerleben, sondern auch die persönliche Zufriedenheit und der Lebensmut. Für viele Menschen ist diese intensive Arbeit, die mitunter auch mit Schmerz behaftet sein kann am Ende aber wie ein Befreiungsschlag aus ihrem Hamsterrad, in dem sie so lange Zeit gefangen waren. Sie erleben sich selbst und ihren Alltag in einer völlig neuen, lebensbejahenden Haltung.
Grenzen können in der Beratung dann auftreten, wenn das Orientierungsthema in weiteren Lebensbereichen so großen Einfluss nimmt, dass der Ursprung nicht mehr klar identifizierbar ist, allumfassend wird und bereits tiefe Einbrüche in der Stimmung zu verzeichnen sind. Symptome von Antriebs-, Lust- und Freudlosigkeit mit einhergehender körperlicher Verfassung sind ein Indikator dafür, dass möglicherweise Unterstützung durch Kolleg*innen angrenzender Fachdisziplinen notwendig wird.

 

Literatur:

Kohn, M., & Schooler, C. (1983). Work and personality: An inquiry into the impact of social stratification. Norwood: Ablex.

Maslow, A. H. (2021). Motivation und Persönlichkeit (16. Auflage; P. Kruntorad, Übers.). Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

Nerdinger, F. W., Blickle, G., & Schaper, N. (2019). Arbeits- und Organisationspsychologie (4. Auflage). Berlin: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56666-4

Savickas, M. L. (2002). Career construction. A developmental theory of vocational behavior. In D. Brown (Hrsg.), Career choice and development (4. Auflage, S. 149–205). San Francisco: Jossey Bass.

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