AllgemeinMotivario Informationsoffensive, Thema 2

Motivario - Lehren, Coachen, Sprechen

Motivario Informationsoffensive, Thema 2

Angst in Performance-Situationen

Im zweiten Thema der Motivario-Informationsoffensive widme ich mich einem persönlichen Beratungsschwerpunkt von mir, zu dem ich auch meine Masterthese mit einer psychologischen Studie verfasst habe. Es geht um das Moment, bevor eine geübte oder trainierte Leistung bei einem Wettkampf, Vorsingen, Vorspiel oder bei einer Aufführung präsentiert bzw. abgerufen werden soll, also eine gelungene Performance vom Individuum erwartet wird. Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass diese Situation herausfordernd ist, weil damit eine Reihe von Erwartungen verbunden ist, einerseits durch die Person selbst, andererseits auch durch das Außen, wo meist Bewertung stattfindet. Kund*innen beklagen Probleme, die Übungs- bzw. Trainingsleistung in solchen Performance-Situationen nicht abrufen zu können. Sie fühlen sich plötzlich mit Blockaden und Versagensängsten konfrontiert, verlieren den Fokus und die Konzentration für das bevorstehende Leistungsmoment und kämpfen oft sogar mit einhergehenden körperlichen Erscheinungen: Schweißausbrüchen, schwitzigen, zittrigen Händen, Harndrang, Übelkeit, etc. Tatsächliches Versagen oder Scheitern ist manchmal die Folge. Der Wunsch nach geeigneten Bewältigungsstrategien ist groß.

Forschungsstand: Jeder Mensch besitzt ein Selbstkonzept, also einen gedanklichen Entwurf oder eine Organisationsstruktur über sich selbst. Menschen tendieren grundsätzlich dazu, dieses Bild über sich selbst (=Selbstbild), also die kognitive (gedankliche) Repräsentation so lange wie möglich als positiv und wertvoll zu empfinden und wahrzunehmen (Neisser, 1988). Sieht sich ein Mensch in seinen eigenen Werten (=Selbstwert), also in der emotionalen (gefühlsmäßigen) Einschätzung über sich selbst bedroht, z.B.: durch negative Bewertungen, kann daraus Angst resultieren. Und die wird in vielen Performance-Situationen (Reden vor fremdem Publikum, Abruf von Trainingsleistungen beim Wettkampf, Darstellende Künste: Schauspiel- oder Gesangs-Performances, Prüfungssituationen in Schule oder Studium) sehr ähnlich wahrgenommen (Metzig & Schuster, 2018). Angst zieht eine kognitiv-physiologische Aktivierung mit sich und ist ungerichtet. Weiß der Mensch, was ihm Angst bereitet, spricht man laut wissenschaftlicher Definition von „Furcht“ (Beckmann & Elbe, 2011; Eberspächer, 2001). Durch die unkontrollierte Überhöhung dieses Erregungszustandes, kann es zu einem Versagen unter Druckbedingungen („Choking under Pressure“) oder zu einem katastrophenartigen Einbruch der Leistung kommen (Yerkes & Dodson, 1908). Die Lösung für diese Thematik ist bei jeder Kundin und bei jedem Kunden sehr individuell anzusehen – grundsätzlich muss das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten („Selbstvertrauen“) unterstützt werden und hierfür ist Coaching ein probates Mittel (Beckmann & Elbe, 2011). Im weiteren Coachingprozess können kognitive Umstrukturierungen für Performance-Situationen, ein Immunisierungstraining für Bewertungssituationen oder eine subvokale Begleitung für einen bestimmten Bewegungsablauf stattfinden. Die Bandbreite an mentalen Interventionen für diese Thematik ist sehr vielfältig.

Vorgehensweise in der Beratung: In der Beratungssituation werden zunächst mögliche Hintergründe für diese Versagensängste in Performance-Situationen reflektiert. Worauf möchten diese Ängste die Person aufmerksam machen (Yerkes & Dodson, 1908)? Meist zeigt sich im Lauf des Gesprächs schon sehr bald aus welchem Bereich oder aus welchen Bereichen diese Ängste stammen. Ausgehend davon, können nun durch die fachliche und analytische Kompetenz des Mentaltrainers sehr zielgerichtet mentale Techniken ausgewählt werden, die dafür dienen, die Ängste der Kund*innen in die eigene Persönlichkeit zu integrieren (keinesfalls „ausschalten“ oder „verdrängen“). In diesen Prozess werden laufend die momentanen Trainings- bzw. Übungssituationen miteinbezogen, denn auch diese müssen nach Effektivität analysiert werden, wenn Kund*innen ein bestimmtes Ziel anstreben (Eberspächer, 2001). Der weitere Erfolg liegt sehr stark in den Händen der Kund*innen, denn desto häufiger sie die mentalen Techniken trainieren und anwenden und dann auch schon in ihre Trainings- bzw. Übungssequenzen integrieren, desto besser wird die gewünschte Performanceleistung im erforderlichen Moment gelingen (Mesagno & Beckmann, 2017).

Chancen & Grenzen: Die Arbeit an eigenen Ängsten, speziell in Performance-Situationen, können im Zuge eines Mentalcoachings sehr gut bearbeitet werden. Kund*innen staunen oft darüber, welche Erkenntnisse sie selbst aus diesen Beratungsprozessen über sich gewinnen und dann im Sport, den darstellenden Künsten oder in Rhetorik-Situationen einsetzen können. Menschen, die im Fokus von Bewertungen stehen, nehmen Performance-Situationen nach einem Coaching dann oft sogar als lustvoll, anspornend und herausfordernd wahr und gehen voll bei ihrer Tätigkeit auf. Vorausgesetzt, sie haben während des Beratungsprozesses laufend ihre „Homeplays“ erledigt und die mentalen Techniken hinreichend trainiert.
Mögliche Grenzen im Coaching sind allerdings dann erreicht, wenn sich trotz des Trainings der mentalen Techniken die Ängste nicht lindern, sie allumfassend oder ausufernd werden und bereits in ganz anderen Kontexten, außerhalb der Performance-Situation auftreten. Das geht soweit, dass diese Ängste stark einschränken, leistungs- oder konzentrationsmindernd wahrgenommen werden und es sogar zu sozialem Rückzug kommt. Sollten sich solche Schwierigkeiten zeigen, wird Sie der Mentaltrainer allerdings fachkundig unterstützen und Ihnen empfehlen dieses Thema in einem anderen Setting bei einer Psychologin / einem Psychologen oder einer Psychotherapeutin / einem Psychotherapeuten zu bearbeiten, sofern Sie das natürlich möchten.

 

Literatur:

Beckmann, J., & Elbe, A.-M. (2011). Praxis der Sportpsychologie: Mentales Training im Wettkampf- und Leistungssport (2. Auflage). Balingen: Spitta.

Deubner-Böhme, M., & Deppe-Schmitz, U. (2018). Coaching mit Ressourcenaktivierung: Ein Leitfaden für Coaches, Berater und Trainer. Göttingen: Hogrefe.

Eberspächer, H. (2001). Mentales Training: Das Handbuch für Trainer und Sportler. München: Copress.

Mesagno, C., & Beckmann, J. (2017). Choking under pressure: Theoretical models and interventions. Current Opinion in Psychology, 16, 170–175.

Metzig, W., & Schuster, M. (2018). Prüfungsangst und Lampenfieber: Bewertungssituationen vorbereiten und meistern (5. Auflage). Berlin [Heidelberg]: Springer.

Neisser, U. (1988). Five kinds of self-knowledge. Philosophical Psychology, 1, 35–39.

Nerdinger, F. W., Blickle, G., & Schaper, N. (2019). Arbeits- und Organisationspsychologie (4. Auflage). Berlin: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56666-4

Parpart, J. (2016). Psychische Belastungen am Arbeitsplatz: Gefährdungs- und Belastungsanalyse der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz nach dem deutschen Arbeitsschutzgesetz. Psychotherapeut, 61(4), 345–360. https://doi.org/10.1007/s00278-016-0118-z

Schneider, W. (2011). Psychische Gesundheit und Arbeit. Psychotherapeut, 56(1), 6–7. https://doi.org/10.1007/s00278-010-0798-8

Yerkes, R. M., & Dodson, J. D. (1908). The relation of strength of stimulus to rapidity of habit-formation. Journal of Comparative Neurology and Psychology, 18, 459–482.

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