AllgemeinMotivario Informationsoffensive, Thema 1

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Motivario Informationsoffensive, Thema 1

Stress / Überforderung / Erschöpfung

Ich starte meine Informationsoffensive zu einem Thema, welches vielen Menschen vermutlich vorrangig in den Sinn kommt, wenn sie daran denken, ein Mentaltraining aufzusuchen – Überforderung, Stress und Zustände von Erschöpfung, ausgelöst durch einen überhöhten, lange andauernden Arbeitseinsatz ohne entsprechende Erholungsphasen.

Grundsätzlich kommt unsere Seele mit überschaubaren, eingrenzbaren Zeitfenstern erhöhter Anforderung bzw. Belastung gut zurecht, doch gerade in der momentanen, durch Corona und Krieg geprägten, eher unsicheren Zeit, wo (noch) kein Ende in Sicht ist, kann das eine psychische Dauerbelastung darstellen, vor allem dann, wenn in weiterer Folge die eigene Existenz bedroht ist.

Menschen nehmen oft erst dann ein Mentaltraining in Anspruch, wenn ihr persönlicher Leidensdruck zu groß geworden ist bzw. sie sich eingestehen müssen, dass sie es alleine nicht schaffen. Sie beschreiben, dass sie sich müde, abgeschlagen, antriebslos fühlen, mit Schlafstörungen kämpfen und sich nur mehr schwer für die Arbeit aufraffen können. Viele beschreiben auch das Gefühl von Freud- bzw. Lustlosigkeit oder von Problemen wichtige Dinge zu vergessen, aufmerksam zu bleiben, sich länger konzentrieren zu können.
An dieser Stelle zeigt sich die gebündelte Kompetenz und die Analysefähigkeit des Mentaltrainers, denn dieses Thema Überförderung, Erschöpfung oder Stress kann aus vielen Bereichen des Individuums entspringen. Ohne präzises Hintergrundwissen wo das momentane Problem des Kunden / der Kundin liegt, artet der weitere Beratungsprozess maximal in „gute Nachbarschaftshilfe“ aus, hat aber nichts mit wissenschaftlichem, theoriegeleitetem Handeln auf Basis der Psychologie zu tun. Es wäre falsch an dieser Stelle zu sagen: „Machen Sie einfach mal ein bisschen früher Feierabend und denken Sie einfach positiver, indem Sie sich aufschreiben, wofür sie täglich dankbar sein können.“ Der Mensch erwartet sich keine Oberflächenkosmetik, sondern Antworten auf seine Fragen, sehnt sich nach Veränderung und möchte künftig anders handeln und Grenzen eher wahrnehmen. Zurecht erwartet er / sie in absehbarer Zeit merkliche Veränderungen.

Forschungsstand: Die WHO schätzt, dass in Europa die Jahresprävalenz von psychischen und psychosomatischen Erkrankungen auf rund 30% aller Krankenstände zurückgeht. Depressionen gehören mittlerweile zu den häufigsten drei Volkskrankheiten. Für die Volkswirtschaft bedeutet das eine enorme Belastung, weil hohe Kosten durch die Rehabilitation entstehen und durch Absentismus Produktivitätsausfälle steigen. Als weiterer Faktor stellt Langzeitarbeitslosigkeit (mehr als 2 Jahre) ein hohes, psychosoziales Gesundheitsrisiko für die Betroffenen dar, weil die Morbidität für körperliche und psychische Erkrankungen steigt (Schneider, 2011). Als Ursache für psychische Dauerbelastungen können drei Faktoren genannt werden: Monotonie, Sättigung und psychische Ermüdung. Monotonie ist ein Zustand herabgesetzter Aktivität und wird mit Müdigkeit und Schläfrigkeit umschrieben. Leistungsschwankungen und Leistungsminderung sind die Folge. Sättigung ist ein Zustand, der mit erhöhter Gereiztheit, Spannungen und Widerwillen zur Fortsetzung bestimmter Tätigkeiten umschrieben werden kann. Psychische Ermüdung tritt dann ein, wenn die personellen Leistungsvoraussetzungen sinken und zu einer deutlichen Effizienzminderung führen. Auffällig durch anfängliche, kompensatorische Anpassung, später treten Anstrengungserleben, Mühe, Konzentrationsverlust und Müdigkeit hinzu (Parpart, 2016). Um den genannten Problemstellungen entgegenzuwirken, werden Unternehmen und Organisationen daher zunehmend für das Thema „Burnout“ aufmerksamer und suchen deshalb präventiv Unterstützung bei psychosozialen Fachexperten im Bereich Mentalcoaching, Stressbewältigung bzw. Work-Life-Balance (Schneider, 2011). Im Zusammenhang mit dem subjektiven Stresserleben haben sich die zur Verfügung stehenden Bewältigungsmechanismen („Copingstrategien“) einer Person als zentral herausgestellt. Diese werden entscheidend von den zur Verfügung stehenden Ressourcen des Individuums beeinflusst (Nerdinger, Blickle, & Schaper, 2019). Ressourcen können alles sein, worauf das Individuum in belastenden Situationen zurückgreifen kann, also alles was ihm körperlich und seelisch wohltut. Es handelt sich um angeborene, neurologisch verankerte Grundbedürfnisse, die für den Erhalt der Gesundheit notwendig sind und das eigene Überleben sicherstellen. Gerade durch Mentaltraining können diese gesundheitsförderlichen, personalen Fähigkeiten gestärkt bzw. wieder in den Fokus des Individuums gerückt werden (Deubner-Böhme & Deppe-Schmitz, 2018).

Vorgehensweise in der Beratung:

  • Kund*innen äußern ihre subjektiven Probleme im Zusammenhang mit Stress, Überforderung, Erschöpfung
  • Problemanalyse: Mentaltrainer fragt nach und hinterfragt Aussagen des Kunden / der Kundin, ordnet Problem in übergeordneten Kontext ein, fasst zusammen, entwirft ungefähres Problemkonstrukt; Kunde äußert sich zum wünschenswerten Zustand
  • Trainingsplan: Mentaltrainer konstruiert umfassendes Bild über das Problem, plant Unterstützungsmaßnahmen, wählt passende Interventionstechniken aus und setzt Zeitpunkte für Zwischenevaluierungen
  • Durchführung der geplanten Termine, kontinuierliche Evaluation der Fortschritte, Mentaltrainer reflektiert laufend den Beratungsprozess, nimmt wenn notwendig Korrekturen und Änderungen vor; Kund*innen trainieren täglich Techniken, erfüllen die „Hausaufgaben“, um erwünschtes, neues Verhalten tatsächlich erreichen zu können
  • Abschluss- bzw. Perspektivengespräch, Fortsetzung oder Beendigung der Beratung?

Chancen & Grenzen: Durch den Beratungsprozess können für die Kund*innen ungeahnte Ressourcen aufgedeckt werden, die bisher zu wenig Beachtung gefunden haben oder in Vergessenheit geraten sind. Menschen können sich durch das regelmäßige Mentaltraining selbstregulativ verhalten und sind nicht mehr nur „gesteuert“ von momentanen Gefühlszuständen oder Stimmungen. Sie erleben sich deutlich entspannter, ausgeglichener, handeln selbstwertdienlicher. Sie nehmen eigene Grenzen früher wahr und stärken dadurch ihre Resilienz.
Der Mentaltrainer hat beständig die Gesamtkonstitution der Kund*innen im Blick. Er erkennt und toleriert persönliche Grenzen der Kund*innen, unterstützt aber auch dabei diese zu erweitern, wenn notwendig bzw. möglich und stellt unter bestimmten Umständen (z.B.: Stagnation im Beratungsprozess) und falls erwünscht, Kontakte zu Personen aus den angrenzenden Fachdisziplinen (Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen, etc.) her, damit Kund*innen bestimmte, festgefahrene Verhaltensmuster aus der Vergangenheit besser verstehen, hinter sich lassen oder aussöhnen können.

Literatur:

Deubner-Böhme, M., & Deppe-Schmitz, U. (2018). Coaching mit Ressourcenaktivierung: Ein Leitfaden für Coaches, Berater und Trainer. Göttingen: Hogrefe.

Nerdinger, F. W., Blickle, G., & Schaper, N. (2019). Arbeits- und Organisationspsychologie (4. Auflage). Berlin: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-56666-4

Parpart, J. (2016). Psychische Belastungen am Arbeitsplatz: Gefährdungs- und Belastungsanalyse der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz nach dem deutschen Arbeitsschutzgesetz. Psychotherapeut,61(4), 345–360. https://doi.org/10.1007/s00278-016-0118-z

Schneider, W. (2011). Psychische Gesundheit und Arbeit. Psychotherapeut, 56(1), 6–7. https://doi.org/10.1007/s00278-010-0798-8

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